Magazin der Erinnerungen


 

Weihnachten 2013 bin ich auf dem Dachboden beim Stöbern in den Regalen auf ein altes, beinahe vergessenes Magazin mit Dias gestoßen.

Ein kleiner, sofort mit vielen Erinnerungen behafteter Kleber war immer noch darauf, mit drei fast unverblichenen Buchstaben beschriftet, die meine Jugend prägten:

BMX.

Winter 2013: Feuchte, dunkle Tage, Ferienzeit, Wiederentdeckung der Langsamkeit usw. An Prousts Madeleine dachte ich nicht sofort, aber das Kino im Kopf begann schon zu surren, spielte mir Szenen vor, die drei Jahrzehnte bestens konserviert waren.

Ich überlegte: Warum nicht einfach mal 30 Jahre zurückswitchen? Frau und Sohn den Vorschlag machen, alte Dias zu betrachten? Keine allzu verwegene Idee, wenn man noch einen unverwüstlichen Braun-Diaprojektor und eine Leinwand zur Verfügung hat. Aber wird das wirklich ein Vergnügen? Was, wenn die Bilder bis zur Unkenntlichkeit verblichen sind?

Ich öffnete die Box, nahm das erste Dia heraus, hielt es misstrauisch gegen das Dachfenster. Licht kann Wunder bewirken. In dem Moment, wo man es verwendet, um aus einer kleinen, transparenten Farbfläche ein Stück Vergangenheit zurückzuholen, verliert die Gegenwart völlig an Bedeutung, wird zum Medium einer Zeitreise, die spannender sein kann als alles, was aktuell geschehen mag.

Der Zustand des Dias schien mir vielversprechend. ich sortierte es wieder ein, nahm das Magazin mit hinunter in die Gegenwart Dezember 2013.

Sohnemann war begeistert von der Idee, seinen Vater endlich auf dem von ihm geliebten 82-er National Pro in Aktion zu sehen, und meine Kumpels von damals, die BMX-Szene in Böblingen, von denen ich ihm schon manches erzählt hatte. Wir hatten einen schönen Abend, der Projektor spendete Wärme und ein angenehmes Surren, die Bilder hatten Vintage-Style und ließen mich nicht mehr los.

Ich begann mich tags darauf mit der Idee zu befassen, die Dias zu digitalisieren. Es gibt im Web reichlich Anbieter, die das gerne kommerziell übernehmen. Doch mir schwebte etwas anderes vor: Selber hinkriegen, denn wer’s erlebt hat, kann diese Bilder wohl treffender auf den Rechner bringen.

Der unverwüstliche Braun-Diaprojektor mit einer sauberen Rodenstock 100mm Linse stand noch im Wohnzimmereck herum, schaute mich mit seinem einen Auge unter der schwarzen Piratenkappe fragend an. Ich begann auszuprobieren ob man nicht einfach die digitale Spiegelreflex auf die Leinwand bzw. direkt auf den Projektor richten kann, um ein projiziertes Dia abzufotografieren.

Einige Stunden später war die Kamera gut ausgerichtet, und ein 100 mm Macro, direkt auf die Projektorlinse gerichtet, erwies sich als die beste Variante.

Es geht damit zwar ein Teil der Dias an den Rändern verloren, dafür kommen sie sehr scharf herüber.

Binnen zwei Tagen waren die Dias auf dem Rechner, und nun ließ mich die Idee, sie den Jungs von damals auch zur Verfügung zu stellen, nicht mehr los.

Die Idee dieser Webseite war geboren. Doch ich brauchte Zeit, wollte vorab wieder Kontakte aufbauen zu den Jungs von damals.

Mit Adi und Sven gab es Kontakt, doch Gunnar und ich waren die ersten, die das Rad in Böblingen Ende der 70er Richtung BMX ins Rollen brachten, mit umgebauten Klapprädern und den Velo-Schauffs (die hatten dann schon Alugussfelgen mit Trommelbremsen, wie die Mofas von damals, aber immer noch Stahlbolzenkurbeln, und hielten Sprüngen nicht wirklich Stand). Wir waren es auch, die später nach Magstadt fuhren um die ersten Centurion-Bikes zu kaufen, die endlich der Qualität und Optik der US-Bikes tatsächlich nahekamen. Wir erlebten den Bau der Magstadter BMX-Bahn, die leider Geschichte ist, und waren Fahrer bei den ersten Rennen.

Ich suchte im Web nach ihm, und fand eine Mailadresse.

Keine zwei Tage später war alles wieder so wie es immer war. Zwei immer noch an BMX interessierte Väter trafen sich am Olympiastützpunkt in Stuttgart, zum Zuschauen und plaudern.

BMX-Action Magazine

Ich war dem Boden nahe, als mir im Frühsommer 2014 die Festplatte meines Rechners durchging und, wie ich erst später merkte, alle Fotos zwischen September 2013 und März 2014 in Iphoto verloren waren. Auch in Apples Time-Maschine waren sie leider rückwärts datiert alle weg. Statt der Festplatte bauten wir eine SSD ein –  immerhin war wenigstens noch ein einziges der BMX-Dias auf dem Rechner zu finden, als Anhang in kleiner Auflösung in einer E-mail versteckt.

Die Seite steht ja nun als Entwurf, wer weitersucht findet bereits das verbliebene Dia.

Demnächst werde ich den Projektor wieder aufstellen und das Dia-Magazin öffnen, die Bilder nochmals ablichten, und dann kommt endlich unser damaliges Leben in diese Online-Bude…

 

21.8.14

Peter Fink

 

 

 

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